Der Europäische Dachs

Volkstümlich wird der Dachs (Meles meles) als Grimbart bezeichnet

„Weiter gingen sie nun zusammen über die Heide,  Grimbart und Reineke, gerade den Weg zum Schlosse des Königs. Aber Reineke sprach: „Es falle, wie es auch wolle,  Diesmal ahnet es mir, die Reise führet zum Besten. Lieber Oheim, höret mich nun! Seitdem ich zum letzten  Euch gebeichtet, verging ich mich wieder in sündigem Wesen;  Höret Großes und Kleines und was ich damals vergessen.  Von dem Leibe des Bären und seinem Felle verschaff` ich  Mir ein tüchtiges Stück; es ließen der Wolf und die Wölfin  Ihre Schuhe mir ab; so hab ich mein Mütchen gekühlet.  Meine Lüge verschaffte mir das, ich wußte den König  Aufzubringen und hab`  ihm dabei entsetzlich betrogen: Denn ich erzählt`  ihm ein Märchen, und Schätze wußt` ich zu dichten.“ (Auszug aus Reineke Fuchs, Achter Gesang von Johann Wolfgang Goethe)

Dass der Fuchs einen wichtigen Platz in Fabeln und Märchen gefunden hat, haben Sie vielleicht schon in unserem Bericht über den Fuchs gelesen. Und sogar Johann Wolfgang von Goethe hat den Fuchs in seinem Werk „Reineke Fuchs“ literarisch verewigt. Ein weiteres Fabeltier, das unter anderem in Goethes Reineke Fuchs auftaucht, ist Grimbart, der Dachs. Auch Grimbart werden in Fabeln menschliche Charaktereigenschaften zugeschrieben. Er gilt als nachdenklich und ruhig. Doch woher kommen diese dem Dachs zugesagten Eigenschaften und stimmen sie auch? Schauen wir uns zunächst an, in welchen Ländern und Gebieten der Dachs anzutreffen ist. Der Europäische Dachs (Meles Meles) ist ein Raubtier aus der Familie der Marder. Er ist eine von vier Arten der Gattung Meles. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich bis auf wenige Ausnahmen über ganz Eurasien. Ausnahmen sind Nordskandinavien, Island und die Mittelmeerinseln. Der Dachs bevorzugt hügelige Landschaften, in denen sich Wälder und Felder häufig abwechseln. Also reich strukturierte Landschaften mit Laubmischwäldern und Hecken. Er ist aber auch in der deckungslosen Agrarlandschaft anzutreffen. Große geschlossene Waldgebiete werden vom Dachs gemieden. Ebenso reine Nadelwälder, ausgedehnte Feuchtgebiete und Dünenlandschaften. In (unmittelbarer) Siedlungsnähe ist der Dachs nur selten anzutreffen.

Wie schaut der Dachs aus?

Der Kopf des Dachses ist auffällig schwarz-weiß gestreift. Der Kopf ist keilförmig und scheint direkt in einen massigen Rumpf überzugehen. Der Schwanz (Bürzel) ist kurz. Die Gehöre (so werden in der Waidmannsprache die Ohren genannt) und die Seher (Augen) sind klein. Aufgrund seiner kurzen Läufe (Beine) wirkt der Dachs gedrungen. In der Fachliteratur sind unterschiedliche Gewichtsangaben zu finden. Es werden Gewichte von bis zu 17 kg angegeben, Gewichte im Herbst bis 20 kg. Als Maximalgewicht sogar bis 25 kg. Als Durchschnittsgewicht dürfte aber eher von 7 bis 14 kg auszugehen sein. Die Kopfrumpflänge wird mit 64 cm bis 88 cm angegeben. Die Schwarte (dicke behaarte Haut) hat längst gestreiftes Grannenhaar (Deckhaar) und weiches Unterhaar. Sie ist oben silbergrau und die komplette Unterseite ist schwarzbraun mit einem bräunlichen Ton auf dem Bauch. Der Geruchssinn des Dachses ist sehr gut ausgeprägt, das Gehör mäßig und das Sehvermögen im Vergleich zu anderen Raubtieren schlecht ausgebildet.

Wovon ernährt sich der Dachs?

Der Dachs nutzt ein sehr breites Nahrungsspektrum. Er ist ein Allesfresser. Der Dachs frisst das in der jeweiligen Jahreszeit vorhandene Angebot an pflanzlicher Kost. Das Nahrungsspektrum kann also abhängig von der Jahreszeit mehr aus pflanzlicher Kost oder mehr aus tierischen Bestandteilen bestehen. Eine Hauptnahrungsquelle sind Regenwürmer. Als Allesfresser „verspeist“ er unter anderem Jungmäuse, Gelege (Nest / Nestmulde mit Eiern) von Bodenbrütern (Vogelarten, die ihre Nester am Erdboden anlegen), Vogeleier, Larven, Schnecken, Käfer, Waben der Erdwespen, Waldbeeren, herabgefallene Zwetschgen und Pflaumen, michreifen Hafer (Reifezustand des Korns, meist noch hell und sehr weich) und Mais. Bis zum Herbst frisst sich der Dachs eine dicke Feistschicht (Fettschicht) an. Die kann er  in kälteren Gegenden für eine mehrwöchige Winterruhe auch gut gebrauchen.

Schon gewusst?  Wenn ein Fressfeind auf einen Igel trifft, so schützt sich der Igel instinktiv, indem er sich einrollt. Trifft ein Dachs auf einen Igel, so ist der Dachs in der Lage, den Igel zu entrollen und zu „verzehren“. Dies gelingt dem Dachs, indem er seine Schnauze in die kleine, verbleibende Lücke an der Bauchseite des zusammengerollten Igels steckt. In Mitteleuropa zählt daher der Dachs neben dem Uhu zu einem der größten Fressfeinde des Igels. Im Gegensatz zum Fuchs, Luchs und Wolf belauert oder erjagt der Dachs seine Beutetiere nicht, sondern die Nahrung wird vom Dachs „aufgesammelt“. In der Waidmannsprache sagt man daher auch: „Der Dachs geht zur Weide.“

Stark ausgebildete Krallen an den Pfoten

Der Dachs hat stark ausgebildete Krallen an seinen Branten (Pfoten). Damit „sticht“ (wühlt) er in lockerem Boden nach Würmern. So können Spuren entstehen, die dem Gebräch (aufgewühlter Boden) von geringen  Sauen (kleine Wildschweine) ähnlich sind. Zur Nahrungssuche suchen Dachse auch landwirtschaftlich genutzte Flächen auf. In milchreifem Getreide und Maisfeldern kann der Dachs Schäden verursachen, die ebenfalls an Schäden durch Sauen erinnern – allerdings sind die Schäden nicht so großflächig wie bei Wildschweinen. Ein besonderes Erlebnis ist es, wenn man das Glück hat, einen Dachs in der Dämmerung oder einer Mondnacht vom Hochsitz aus zu beobachten: Unbekümmert und gemächlich, so scheint es, bewegt sich der Dachs auf seinen kurzen und kräftigen Läufen (Beinen) voran. Dabei kann man sogar hören, wie er schnüffelt und schmatzt. In jagdlicher Literatur wird der Dachs daher unter anderem als „Nachtbummler“ bezeichnet. Vielleicht waren es gerade derartige Beobachtungen, wegen derer dem Dachs in den Fabeln ein „nachdenkliches“ und „ruhiges“ Verhalten zugeschrieben wurde.

Wie lebt der Dachs?

Der Dachs lebt gesellig in Familiensippen. Der Dachsbau ist das Zentrum der jeweiligen Sippen. Zur Sippe gehören mehrere männliche und weibliche Dachse. Jede Sippe „herrscht“ über ein Territorium, das, sofern erforderlich, gegen männliche Eindringlinge verteidigt wird und das durch Duftmarken und Dachsaborte abgegrenzt wird. Als Dachsabort wird eine Kotgrube bezeichnet. Es handelt sich dabei um trichterförmige, faustgroße Vertiefungen im Boden. Diese Gruben werden in der Nähe des Dachsbaus angelegt. Der Schrei der Dachse klingt laut und unheimlich. Man ging früher davon aus, dass es sich dabei um Ranzschreie handelt. Allerdings scheint die Verteidigung des Streifgebietes der eigentliche Grund für die Dachsschreie zu sein. Dachse sind nachtaktiv und verschlafen meist den Tag im Bau. An langen Sommerabenden und während der  Ranz (Paarungszeit) verlassen Dachse aber durchaus auch noch bei Tageslicht den Bau. Der Dachs gräbt einen Bau, der meist größer ist als beim Fuchs. Dachsbaue können jahrzehntealt sein. Man geht teilweise sogar von Jahrhunderten aus, die ein Dachsbau bereits genutzt wurde. Jede Dachsgeneration erweitert ihn und fügt weitere Wohnkessel („Wohnzimmer“) hinzu. Ein in England untersuchter Dachsbau umfasste 50 Kessel und 178 Eingänge. Diese waren durch insgesamt 879 Meter Tunnel miteinander verbunden.

Die oberen „Etagen“ eines Dachsbaus werden durchaus von Wildkaninchen oder Füchsen bewohnt. Im Unterschied zum Fuchs polstert der Dachs den Kessel mit Laub, Moos und / oder Farn aus. Das Polstermaterial wird im Frühjahr wieder entfernt und durch neues ersetzt. Dieses Verhalten trägt dazu bei, einen Befall mit Ektoparasiten (auf der Körperoberfläche eines Wirtes lebende Parasiten)  zu verringern.

Wie lassen sich Dachs- und Fuchsbau unterscheiden?

In der Nähe eines Dachsbaus können Sie die bereits oben beschriebenen Dachaborte finden. Weitere Erkennungsmerkmale sind unter anderem die Eingänge zu einem Dachsbau, das sogenannte Geschleif. Denn bei diesen Eingängen findet man häufig Rinnen, die in den Dachspass, also den Weg, den die Dachse immer wieder nutzen, übergehen. Die Erde ist vor den Hauptröhren oft meterweit ausgeworfen. Durch das Hinein und das Hinaus der Dachse aus dem Bau bilden sich halbkreisförmige Vertiefungen in der Erde vor den Röhren.

Was gibt es Wissenswertes zur Fortpflanzung der Dachse?

Weibliche Dachse werden vermutlich im zweiten Lebensjahr geschlechtsreif. Die Ranzzeit des Dachses ist nicht einheitlich. Es ist davon auszugehen, dass im Hochsommer (Juni / August) nur die gerade geschlechtsreif gewordenen Jungfähen ranzen. Die älteren weiblichen Dachse werden überwiegend bereits kurz nach dem Werfen (Gebären) im Frühjahr (März / April) wieder vom Rüden gedeckt. Abhängig vom Zeitpunkt der Ranz sorgt eine unterschiedliche lange Keimruhe dafür, dass die Jungen zwischen ausgehendem Winter und spätem Frühjahr (meist Anfang März) geworfen werden. Dazu ein alter Jägerspruch: „Es bringt im Monat Februar die Dächsin ihre Jungen dar.“

Hintergrundwissen Keinmruhe: Die befruchtete Eizelle entwickelt sich zunächst nicht kontinuierlich zum Embryo weiter. Sie nistet sich zwar in der Gebärmutterschleimhaut ein, sie teilt sich aber nicht. Erst nach der Keimruhe setzt sich die normale embryonale Entwicklung fort.  Die dadurch hinausgezogene Tragezeit ermöglicht die Geburt währen einer für die Aufzucht günstigen Jahreszeit.

Ein Wurf besteht meist aus zwei bis drei Jungen. Sie werden ca. zwölf Wochen gesäugt. Bei Nahrungsknappheit kann die Säugezeit bis in den Sommer hineinreichen. Im Alter von sechs bis sieben Wochen krabbeln die Jungdachse bereits in den Gängen des Baus herum. Sie verlassen den Bau das erste Mal aber erst nach ca. neun bis zehn Wochen. Mit etwas Glück kann man sie dann beim Spielen vor dem Bau beobachten. Jungdachse bleiben über Winter im Mutterbau. Die „Familie“ löst sich erst im darauffolgenden Jahr auf, die Jungdachse beginnen dann abzuwandern. Das Abwandern geschieht häufiger bei den Weibchen als bei den Männchen. Einige Tiere bleiben dauerhaft bei Ihrer „Familie“. Wenn Sie mal im Wald den Eingang zu einem Bau entdecken sollten, können Sie jetzt nach Merkmalen suchen, die auf einen Fuchs- oder Dachsbau schließen lassen.